»Der Garten – immer war es der Garten, überströmend von der Fülle leuchtender Blumen, in den Farben rosa, karmin, gelb, weiß und orange, und nur ganz wenig blau. Ich hatte sein Bild als Kind zum erstenmal im Traum erblickt, da kannte ich seine Wirklichkeit noch nicht. Später beschwor ich ihn aus der Vergangenheit herauf, wenn ich nicht schlafen konnte: es war der Garten des Gutes Poll in Estland, in dem ich nur kurz verweilen durfte (…). Wie gerne flüchtete ich mich in Zeiten der Not, der Finsternis und der Trauer zurück in dieses versunkene Paradies, dessen Bäume abgeholzt waren und das ich niemals wiedersehen würde (…). Wenn das Leben mich nicht mehr tragen wollte auf seiner großen Welle – aber im Grunde trug es mich weiterhin, nur die Furcht hatte sich meiner bemächtigt –, dann versuchte ich, von jeher geübt in der Imagination, mir etwas vorzuspielen auf einer Bühne, die es gar nicht gab, nur in meinem Kopf: manchmal war es eine Musik, die ich liebte und deren Noten ich genau kannte, meist aber das Bild des immergrünen, immerblühenden Gartens vor dem dunklen, schweigenden Park in Poll.«
Aus Schaefer, Oda: Auch wenn Du träumst, gehen die Uhren. Lebenserinnerungen, München: Piper 1970.
Mit freundlicher Genehmigung © Eberhard Horst